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Richtlinien für einen globalen CO2-Haushalt

Zahlreiche Untersuchungen haben während des letzten Jahrzehnts gezeigt, daß die globale Erwärmung in etwa proportional zur CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre ist. Auf diese Weise läßt sich unser verbleibende Kohlenstoffhaushalt abschätzen. Das ist die Gesamtmenge des vom Menschen produzierten Kohlendioxids, die noch in die Atmosphäre abgegeben werden kann, bevor ein festgelegter globaler Temperaturgrenzwert erreicht wird. Auf diesen Grenzwert haben sich die Nationen der Welt im Pariser Abkommen 2015 geeinigt. Er soll 1,5°C nicht überschreiten, und in jedem Fall weit unter 2,0°C liegen. Es wurden jedoch zahlreiche Schätzungen für das verbleibende CO2 gemacht, was sich negativ auf die politische Entscheidungsfindung auswirkt. Jetzt hat eine internationale Forschergruppe von ausgewiesenen Klimaexperten eine Richtlinie für die Errechnung des globalen CO2-Haushalts im renomierten Fachmagazin Nature veröffentlicht. Die Forscher schlagen vor, daß die Anwendung dieser Richtlinie dazu beitragen soll, die teils gravierenden Unterschiede bei der Abschätzung des CO2-Haushalts auszugleichen, und die Unsicherheiten in Forschung und Politik zu verringern.

Seit dem fünften Bericht des Zwischenstaatlichen Gremiums für Klimawandel (IPCC) hat das Konzept eines CO2-Haushalts als Instrument zur Ausrichtung der Klimapolitik an Bedeutung gewonnen. In einer Reihe von Studien aus den letzten zehn Jahren wurde geklärt, warum der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur in etwa proportional zur Gesamtmenge der CO2-Emissionen ist, die seit der industriellen Revolution durch menschliche Aktivitäten verursacht wurden. Dabei zitiert die Forschergruppe zahlreiche veröffentlichte Belege. Diese Literatur hat es Wissenschaftlern ermöglicht, den linearen Zusammenhang zwischen Erwärmung und CO2-Emissionen als transiente Klimareaktion auf kumulierte CO2-Emissionen (TCRE) zu definieren. Die Brillianz dieses Konzepts wird deutlich, die man erkennt, daß die Reaktion des komplexen Systems Erde auf unsere CO2-Emissionen durch eine ungefähr lineare Beziehung dargestellt werden kann. In jüngster Zeit wurden jedoch zusätzliche Prozesse, die die zukünftige Erwärmung beeinflussen, in Modelle einbezogen. Dabei handelt es sich z.B. um das Auftauen des arktischen Permafrosts. Diese zusätzlichen Prozesse erhöhen die Unsicherheit. Zudem wird die globale Erwärmung nicht nur durch CO2-Emissionen verursacht. Andere Treibhausgase, wie z.B. Methan, fluorierte Gase oder Lachgas, sowie Aerosole und deren Vorstufen beeinflussen die globalen Temperaturen. Dies verkompliziert die Beziehung zwischen zukünftigem CO2 weiter.

Bei der durch CO2 verursachten Klimaerwärmung trägt jede Tonne zur Erwärmung bei, egal ob diese Tonne CO2 heute, morgen oder in der Verganganheit ausgestoßen wurde. Dies bedeutet, daß die globalen CO2-Emissionen auf das Null gesenkt werden müssen, um dann dort zu bleiben. Das heißt auch, daß unsere Emissionen umso schneller sinken müssen, je mehr wir in den kommenden Jahren emittieren. Auf Nullemission würde sich die Erwärmung zwar stabilisieren, aber nicht verschwinden oder oder sich gar umgekehren. Eine Überziehung des CO2-Haushalts müßte also später wieder durch ein Entfernen des CO2s ausgeglichen werden.  So kann z.B. die Entfernung mit Hilfe von filtern geschehen, wie wir bereits berichteten. Schlußendlich wird dies wohl der einzig verbleibende Weg sein, denn die Durchdringung unserer Energiewirtschaft mit CO2-neutralen Quellen hat sich bei 5% stabilisiert. Die Aufstellung eines Kohlenstoffhaushalts macht die Dringlichkeit deutlich. Leider sind die Angaben über die uns verbleibende Menge CO2 weit gestreut. In ihrer Richtlinie zitieren die Forscher zahlreiche Studien zur Erhaltung des 1,5°C-Ziels, die von 0 Tonnen CO2 bis zu 1.000 Gigatonnen reichen. Für das 2,0°C-Ziel reicht die Spannweite von ca. 700 Gigatonnen bis hin zu fast 2.000 Gigatonnen verbleibende CO2-Emissionen. Das Ziel der Forscher ist es, diese Unsicherheit einzuschränken, in dem sie eine klare Richtlinie vorschlagen. Das zentrale Element dieser Richtlinie ist die Gleichung zur Berechnung des verbleibenden CO2-Haushaltsrahmens:

Blim = (TlimThistTnonCO2TZEC) / TCRE − EEsfb

Dieser Rahmen sind die verbleibenden CO2-Emissionen (Blim) für die spezifische Temperaturgrenze (Tlim) als Funktion von fünf Termen, die Aspekte des geophysikalischen und gekoppelten Mensch-Umwelt-Systems darstellen: die bisherige vom Menschen verursachte Erwärmung (Thist), der Nicht-CO2-Beitrag zum zukünftigen Temperaturanstieg (TnonCO2), die Nullemissionsfestlegung (TZEC), die TCRE und eine Anpassung für Quellen aus eventuellen Rückkopplungen mit nicht erfaßten geologischen Systemen (EEsfb).

Term

Bedeutung

Art

Derzeitiges Verständnis

Erwärmungsgrenze Tlim Wahl der Temperaturmetriken, mit denen die globale Erwärmung, die Wahl des vorindustriellen
Bezugszeitraums und die Übereinstimmung mit den globalen Klimazielen ausgedrückt werden
Wählbar Mittel bis hoch
Vergangene menschenverursachte Erwärmung Thist Unvollständige Erfassung in Beobachtungsdatensätzen und Methoden zur Abschätzung der vom Menschen verursachten Komponente; Siehe auch Tlim Unsicherheit Mittel bis hoch
Nicht-CO2 Erwärmung TnonCO2 Die Höhe der verschiedenen Nicht-CO2-Emissionen, die mit den weltweiten Netto-Null-CO2-Emissionen übereinstimmen, hängt von den politischen Entscheidungen, aber auch vom unsicheren Erfolg ihrer Umsetzung ab Wählbare Unsicherheit Mittel
Nicht-CO2 Erwärmung TnonCO2 Klimareaktion auf Nicht-CO2-Verusacher, insbesondere in Bezug auf die Aerosolrückgewinnung und  Temperaturreduzierung aufgrund geringerer Methanemissionen Unsicherheit Niedrig bis mittel
Nullemissionsverpflichtung TZEC Vorzeichen und Ausmaß der Nullemissionsverpflichtung in dekadischen Zeitskalen für aktuelle und nahezu Null jährliche CO2-Emissionen Unsicherheit Niedrig
Transiente Klimareaktion auf
kumulierte CO2-Emissionen
TCRE Verteilung der TCRE-Unsicherheit, Linearität der TCRE zur Erhöhung und Stabilisierung der kumulativen CO2-Emissionen und Auswirkung von Temperaturmetriken auf die TCRE-Schätzung Unsicherheit Niedrig bis mittel
Transiente Klimareaktion auf
kumulierte CO2-Emissionen
TCRE Über die Spitzenerwärmung hinausgehende Unsicherheit der Linearität, Wert und Verteilung der TCRE zur  Verringerung der kumulierten CO2-Emissionen Unsicherheit Niedrig
Rükkopplungen mit nicht erfaßten
geologischen Systemen
EEsfb Dauer und Ausmaß des Auftauens von Permafrost und der Methanfreisetzung aus Feuchtgebieten und deren Darstellung in Geomodellen sowie andere mögliche Arten von Rückkopplungen Unsicherheit Sehr niedrig

In dem CO2-Haushalt ist wohl die Rückkopplungen mit nicht erfaßten geologischen Systemen (EEsfb) die größte Unsicherheit. Diese Rückkopplungsprozesse sind typischerweise mit dem Auftauen von Permafrost und der damit verbundenen langfristigen Freisetzung von CO2 und CH4 verbunden. Es wurden jedoch auch andere Rückkopplungsquellen für das Geosystem identifiziert, wie z.B. die Änderungen der CO2-Aufnahme in der Vegetation und die damit verbundene Stickstoffverfügbarkeit. Weitere Rückkopplungsprozesse involvieren die Änderungen der Oberflächenalbedo, der Wolkendecke oder von Brandbedingungen.

Es bleibt es eine Herausforderung, die Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Schätzungen des CO2-Haushalt angemessen zu charakterisieren. In einigen Fällen ist die Ursache der Unsicherheiten ungenaue Kenntnis der zugrunde liegenden Prozesse oder mangelnde Genauigkeit der Messungen. In anderen Fällen werden Begriffe nicht einheitlich verwendet. Für eine bessere Vergleichbarkeit und Flexibilität schlagen die Forscher vor, die globalen Werte der Oberflächenlufttemperatur routinemäßig zu messen. Diese Methode liefert unveränderliche Zahlen für Modelle, Modellabläufe über gewählte Zeiträume hinweg. Detailliertere Vergleiche zwischen veröffentlichten Schätzungen den CO2-Haushalt sind derzeit schwierig, da oft die Originaldaten aus den ursprünglichen Studien fehlen. Die Forscher schlagen daher vor, diese zukünftig zusammen mit den Publikationen bereitzustellen.

Die Zerlegung des CO2-Haushalts in seine Einzelfaktoren ermöglicht es, eine Reihe vielversprechender Wege für die zukünftige Forschung zu identifizieren. Ein Forschungsbereich, der dieses Feld voranbringen könnte, ist die nähere Betrachtung der TCRE. Zukünftige Forschungen werden voraussichtlich die Bandbreite der TCRE-Schätzungen einschränken, was die Unsicherheit verringern wird. Ein weiteres vielversprechendes Forschungsgebiet ist die Untersuchung der Wechselbeziehung zwischen Einzelfaktoren und ihren verbunden Unsicherheiten, beispielsweise zwischen Unsicherheiten in Thist und TnonCO2. Dies könnte durch die Entwicklung von Methoden erreicht werden, die eine zuverlässige Abschätzung der vom Menschen verursachten Erwärmung in jüngerer Zeit ermöglichen. Klar ist auch, daß weniger komplexe Klimamodelle nützlich sind, um die Unsicherheiten weiter zu reduzieren. Gegenwärtig weist jeder Faktor des vorgestellten Rahmens seine eigenen Unsicherheiten auf, und es fehlt eine Methode, um diese Unsicherheiten formal zu kombinieren.

Auch bei Frontis Energy denken wir, daß Fortschritte in diesen Bereiche unser Verständnis bei der Schätzungen des CO2-Haushalts verbessern würde. Ein systematisches Verständnis des CO2-Haushalts und ist für eine wirksame Zielsetzung und die Kommunikation der Herausforderungen beim Klimaschutze von entscheidender Bedeutung.